Neue vorgeschichtliche Funde von der Milseburg bei Hofbieber-Danzwiesen (Lkr. Fulda)

Neue vorgeschichtliche Funde von der Milseburg bei Hofbieber-Danzwiesen (Lkr. Fulda)
Von Christian Lotz 

Die Milseburg darf als die bekannteste befestigte Höhensiedlung in Osthessen gelten, ist mit ihrer Höhe von 835 m ü. NN die höchste Erhebung am Ostrand der Vorderrhön und wird seit 1899 archäologisch erforscht. Frühe Ausgrabungen standen dabei unter der Leitung von J. Boehlau (1861-1941), W. Lange (1857-1928), G. Eisentraut (1844-1926) und J. Vonderau (1863-1951), während M. Müller (1955-2004), ehemaliger Stadt- und Kreisarchäologe von Fulda, in den Jahren 2003 und 2004 eine Grabung am östlichen Wall veranlasste [Söder- Zeiler 2012, 9-11]. 2014 wurden die Grabungen in Form mehrerer Ausgrabungskampagnen unter der Leitung von U. Söder wieder aufgenommen, wobei der Fokus auf der Untersuchung von Podien am nach Westen hin abfallenden Hang lag. Das dabei geborgene Fundmaterial wird momentan im Rahmen einer Dissertation an der Philipps-Universität Marburg von St. Lotz bearbeitet.

Während der Eisenzeit wurde die Anlage befestigt, wobei sich einzelne Wälle verschiedenen Zeitstufen zuordnen lassen. Zu ersten Begehungen der Milseburg kam es aber wahrscheinlich schon zur Zeit der neolithischen Wartbergkultur, während jedoch mit einer festen Besiedlung erst zwischen 1200 und 800 v. Chr. in der Urnenfelderzeit am Ostfuß des Berges zu rechnen ist. Das umfangreiche Fundmaterial auf und um den Berg herum lässt dabei den Schluss zu, dass es daraufhin eine mehr oder weniger durchgehende Anwesenheit von Menschen bis zum Ende der Spätlatènezeit gab, wobei temporäre Siedlungsunterbrechungen nicht ausgeschlossen werden können [Verse – Söder 2017, 9]. Diese Funde stammen nicht nur von den zahlreichen Grabungen im Bereich der Milseburg, sondern sind der Denkmalpflege auch immer wieder als Gelegenheitsfunde bekannt geworden - so auch die elf vorgeschichtlichen Gefäßscherben, sowie das Bruchstück eines Spinnwirtels, die bei einer Rhön-Exkursion am 18.10.2020 aufgelesen werden konnten und nun eine kurze Vorstellung auch in Form eines Fundkatalogs erfahren sollen.

 

Tafel: Die neuen Funde von der Milseburg

 

Die aufgesammelten vorgeschichtlichen Gefäßscherben stammen größtenteils aus dem Bereich des Hangs unterhalb der sogenannten „Einsiedelei“ (Fundstelle I) und fügen sich gut in das bereits bekannte Bild der Milseburgkeramik ein: Wandscherben von dickwandigen, oxidierend gebrannten Gefäßen, teilweise mit Schlickerüberzug (Nr. 5) und mit groben Leisten (Nr. 1) sowie schamotte- und quarzgemagerte, reduzierend gebrannte Ware (Nr. 4, 7) sind an den Berghängen häufig aufzufinden. Erwähnenswert ist eine Wandscherbe mit Fingertupfen auf der Gefäßinnenseite (Nr. 8) und, wenn auch nicht ungewöhnlich, eine feinkeramische Scherbe (Nr. 10), die ein Muster aus schrägen, linearen Ritzungen aufweist, die in Kammstrichtechnik ausgeführt sind. Es handelt sich dabei um eine Verzierungsart, die oftmals als latènezeitlich angesprochen wird, welche jedoch bereits in der späten Hallstattzeit und darüberhinaus auch noch in der Kaiser- und Völkerwanderungszeit vorkommt [Pape 1999, 250].

 

Die beiden Fundstellen auf der Milseburg (Kartierung nach Salzmann – Söder – Zeiler 2013, vom Autor verändert und ergänzt)

 

Erwähnenswert ist auch die einzige aufgesammelte Randscherbe (Nr. 11), die zu einer flachen Schale gehörte und nahe eines Podiums unweit der letzten Grabungskampagne gefunden wurde (Fundstelle II). Dort ist auch das Fragment eines Spinnwirtels mit wahrscheinlich ursprünglich doppelkonischer Durchlochung aus weich gebranntem Ton aufgesammelt worden (Nr. 12), das zu den interessantesten Funden dieses kleinen Inventars zählt. Es handelt sich um das Schwunggewicht einer Handspindel, wie sie seit dem Neolithikum aus verschiedenen Materialien in Gebrauch waren. Leider sind Spinnwirtel, die nicht aus geschlossenen Befunden stammen, zeitlich meist nicht näher einzuordnen, da verwendete Formen oder Verzierungsarten nicht spezifisch sind. Trotzdem gibt das neu gefundene Stück einen weiteren Hinweis auf handwerkliche Tätigkeit – in diesem Fall Textilherstellung – auf den Podien am Westhang des Berges und darf aufgrund der Fundstelle zum eisenzeitlichen Besiedlungshorizont gezählt werden.

 

Fundkatalog

Die Katalognummer ist gleich der Nummerierung auf der Tafel. Die Magerungsdichte gibt die Kornanzahl pro Quadratzentimeter an. Die Angabe über die Härte der Keramik bezieht sich darauf, ob sie leicht mit dem Fingernagel zu ritzen ist (weich) oder nicht (hart).

1. Wandscherbe; Leistenzier; Wandstärke: 0,7 cm; innen reduzierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,15 cm); Magerungsdichte: 1/cm²; Glimmerton; Härte: hart; Fundstelle I.

2. Wandscherbe; Wandstärke: 1,2 cm; oxidierend gebrannt; Magerungsart: Schamotte (bis 0,1 cm); Magerungsdichte: 3/cm²; Glimmerton; Härte: hart; Fundstelle I.

3. Wandscherbe; Wandstärke: 0,6 cm; oxidierend gebrannt; Magerungsart: Schamotte (bis 0,15 cm), Quarz (bis 0,15 cm); Magerungsdichte: 4/cm²; Härte: hart; Fundstelle I.

4. Wandscherbe; Wandstärke: 0,6 cm; reduzierend gebrannt; Magerungsart: helles Gesteinsgrus (bis 0,35 cm), Schamotte (bis 0,25 cm); Magerungsdichte: 8/cm²; Härte: hart; Fundstelle I.

5. Wandscherbe; Schlickerüberzug; Wandstärke: 1,1 cm; innen reduzierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: organisch (bis 0,75 cm), Quarz (bis 0,1 cm); Magerungsdichte: 12/cm²; Härte: hart; Fundstelle I.

6. Wandscherbe; Wandstärke: 1,1 cm; oxidierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,05 cm); Magerungsdichte: 6/cm²; Glimmerton; Härte: hart; Fundstelle I.

7. Wandscherbe; poliert; Wandstärke: 0,5 cm; reduzierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,05 cm), Schamotte (bis 0,1 cm); Magerungsdichte: 6/cm²; Härte: hart; Fundstelle I.

8. Wandscherbe; Fingertupfen auf Innenseite; Wandstärke: 0,85 cm; innen reduzierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Vulkanit (bis 0,6 cm); Magerungsdichte: 4/cm²; Glimmerton; Härte: hart; Fundstelle I.

9. Wandscherbe; Wandstärke: 0,6 cm; oxidierend gebrannt; Magerungsart: Schamotte (bis 0,2 cm), Vulkanit (bis 0,2 cm), organisch (bis 0,25 cm); Magerungsdichte: 8/cm²; Glimmerton; Härte: hart; Fundstelle I.

10. Wandscherbe; Kammstrichverzierung; Wandstärke: 0,65 cm; reduzierend gebrannt; Magerungsart: Schamotte (bis 0,05 cm); Magerungsdichte: 7/cm²; Glimmerton; Härte: hart; Fundstelle I.

11. Randscherbe einer flachen Schale; unbestimmter Durchmesser; Wandstärke: 0,7 cm; oxidierend gebrannt; Magerungsart: Schamotte (bis 0,3 cm); Magerungsdichte: 15/cm²; Härte: weich; Fundstelle II.

12. Fragment eines Spinnwirtels; oxidierend gebrannt; Magerungsart: Schamotte (bis 0,2 cm); Magerungsdichte: 12/cm²; Härte: weich; Fundstelle II.

 

Literatur:

Söder – Zeiler 2012
Söder, Ulrike – Zeiler, Manuel: Die Milseburg. Oppida Celtica I (Marburg 2012).

Salzmann – Söder – Zeiler 2013
Salzmann, Christoph – Söder, Ulrike – Zeiler, Manuel: Prospektion von Bodendenkmälern mithilfe digitaler Geländemodelle. Fallbeispiel Höhenbefestigung Milseburg bei Danzwiesen (Lkr. Fulda), Archäologisches Korrespondenzblatt 43/4, 2013, 509-522.

Söder – Verse 2017
Söder, Ulrike – Verse, Frank: Die Milseburg. Neues von einer alten Bekannten, Fuldaer Geschichtsblätter 91/92, 2015/16 (2017), 7-18.

Pape 1999
Pape, Jürgen: Die Keramikentwicklung von der jüngsten vorrömischen Eisenzeit/frühen Kaiserzeit bis zum Frühmittelalter im Osnabrücker Kreisgebiet. Am Beispiel der Siedlungen Engter, Eistrup und Oldendorf (Dissertation an der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br., 1999).

Kommentare