Ein jungneolithisches Beil und andere Funde von der Alteburg bei Arnstadt (Ilm-Kreis, Thüringen)
Ein jungneolithisches Beil und andere Funde von der
Alteburg bei Arnstadt (Ilm-Kreis, Thüringen)
Von Christian
Lotz
Bekanntlich schadet ein Blick über den
Tellerrand hinaus nie. Deswegen sei an dieser Stelle ein solcher in unser
nordöstlich angrenzendes Nachbarland Thüringen gestattet, wo meine Frau und ich
im September 2020 bei einer Besichtigung der befestigten Höhensiedlung Alteburg neben
diversen vorgeschichtlichen Keramikscherben und Funden aus Feuerstein sowie Kieselschiefer auch ein neolithisches Beil aus Felsgestein aufsammeln konnten.
Diese neuen Funde von einer „alten Burg“ werden nach einer kurzen Vorstellung
der Anlage und der damit verbundenen Forschungsgeschichte einer genaueren
Betrachtung unterzogen.
Abb. 1 Das Beil aus Amphibolit (Foto: Ch. Lotz) |
Bei der Alteburg handelt es sich um eine
vor- und frühgeschichtliche Höhensiedlung auf einem Muschelkalksporn, der sich unmittelbar
südlich der Bachstadt Arnstadt im Thüringer Ilm-Kreis erhebt und nach drei
Seiten steil abfällt. Diese besondere Lage bot bereits eine natürliche
Fortifikation und ermöglichte eine Verteidigung des ansonsten flachen Sporns mittels
eines bisher undatierten Befestigungssystems, welches zumindest in Teilen heute
noch als hoch aufragende Wälle in der Landschaft gut zu erkennen ist. Neben
wohl weitgehend zerstörten Wällen im Norden [Caemmerer 1924, 4] finden sich drei
weitere im Süden der Anlage, wovon sich zwei noch bogenförmig vom nordwestlichen
zum südöstlichen Berghang ziehen, während der mittlere (Abb. 2 b) heute nur
noch etwa 135 m weit in südöstliche Richtung verläuft und bis zu 1,5 m hoch
erhalten ist. Der nördlichste dieser drei Wälle (Abb. 2 a) ist dahingegen noch
bis zu 2,5 m hoch und etwa 370 m lang. Während sich diese beiden Befestigungsabschnitte
unter Wald relativ gut erhalten haben ist der am südlichsten zu verortende,
knapp 310 m lange Wall (Abb. 2 c) durch seine Lage auf einer landwirtschaftlich
genutzten Fläche stark verschliffen und wurde wohl auch aufgrund dieses
Umstandes erst 1972 entdeckt [May 1988, 230]. Insgesamt wurde auf diese Weise
eine nutzbare Fläche von fast 25 ha umschlossen.
Abb. 2 Die Alteburg auf Grundlage der LiDAR-Scans (Kartierung: Ch. Lotz) |
Die Geschichte der Erforschung der
Alteburg reicht bereits über 150 Jahre zurück. Schon vor 1868 wurden bei einer
Flurseparation erste Artefakte aufgefunden, woraufhin der Arnstädter Professor
H. Uhlworm in einem Vortrag die Vermutung äußerte, dass es sich bei der Anlage
um eine vorgeschichtliche Befestigungsanlage handelte [Lappe 1988, 221]. 25
Jahre später wurden von J. Bühring und P. Zschiesche an Wall a ein Durchschnitt
angelegt [Behrend 1969, 97], wobei die genauen Aufzeichnungen über diese
Untersuchung jedoch verschollen sind. Allerdings ist überliefert, dass die
Zusammensetzung des Walls aus Erde und Steinen besteht [Lappe 1988, 222] und
dass – wie auch bei Prospektionen auf den umliegenden Äckern – diverse Objekte aufgefunden
werden konnten, die in verschiedene Zeitabschnitte von der Steinzeit bis in das
Mittelalter datieren. Unter dem mannigfaltigen Material von der Alteburg sind
dabei besonders jene Funde hervorzuheben, die sich der Latènezeit zuordnen
lassen: Münzen, Drehmühlen, Gegenstände wie Armringe und Perlen aus latèneblauem
Glas sowie Graphitton- und Drehscheibenware zeichnen die Alteburg als Oppidum
aus.
Die 1924 erschienene Monographie „Die Alteburg bei Arnstadt“ von E. Caemmerer gibt heute noch einen anschaulichen Überblick über die Befunde und vor allem die zahlreichen Funde auf dem Bergsporn, die zu einem nicht unerheblichen Teil aus seiner eigenen Sammlung und jener seines Vaters stammten, der bereits 1892 etwa 150 Feuerstein-Pfeilspitzen auf dem Plateau aufgesammelt hatte. Zwischen 1957 und 1970 kam es zu einer intensiven Begehung durch U. Lappe, der 1988 eine umfangreiche forschungsgeschichtliche Aufarbeitung der Höhensiedlung vorlegte [Lappe 1988]. Eine Bearbeitung von neolithischen Funden wurde im selben Jahr von J. May publiziert [May 1988], die bronze- und eisenzeitlichen Funde waren bereits 1969 von R. Behrend [Behrend 1969] neu aufgearbeitet worden.
Bei einer Begehung der Alteburg am 04.09.2020 konnten meine Frau und ich nun verschiedene Objekte aufsammeln, worunter sich neun als lediglich allgemein vorgeschichtlich einzuordnende Keramikscherben (Abb. 4 1-9) befinden, die allesamt kleinteilig zerscherbt und oft verrollt sind, wie es ebenso hier in Fulda auf jenen landwirtschaftlich genutzten Fundstellen der Fall ist, auf denen Muschelkalk ansteht. Hier scheint der Untergrund in Verbindung mit dem Pflug eine besonders hohe mechanische Belastung auf die vergleichsweise relativ weich gebrannte, vorgeschichtliche Keramik auszuüben. Auch der nicht weiter bearbeitete Abschlag aus weißpatiniertem Feuerstein (Abb. 4 15) und der Schlagrest aus Kieselschiefer (Abb. 4 14) gehören zwar in die Vorgeschichte, lassen sich jedoch aufgrund fehlender Charakteristika nicht genauer datieren.
Abb. 3 Blick über Fundstelle 1 in Richtung Osten (Foto: Ch. Lotz) |
In das Jungneolithikum lässt sich dahingegen ein fragmentiertes, ehemals spitznackiges Ovalbeil von 3,8 x 5,6 x 2,35 cm Größe einordnen (Abb. 1, Abb. 4 16). Es wurde aus einem hellgrauen, schiefrigen Amphibolit mit dunkelgrauen Einschlüssen gearbeitet, wobei die noch erhaltene, geschliffene Oberfläche einen seidigen Glanz aufweist. Diese Art von Steinbeilen trat am Ende des 5. Jahrtausends erstmals zunehmend im deutschen Mittelgebirgsraum auf und ist zuerst dem Michelsberg-Altheim Horizont zuzuordnen, wobei es sich jedoch um eine Form handelt, die auch noch bei den Becherkulturen vertreten ist. Spitznackige Ovalbeile sind auf der Alteburg eine bekannte Erscheinung [May 1988, 232] und stellen allgemein eine typische Fundgattung für Siedlungen des entsprechenden Zeitraums dar, während sie in Grabanlagen nicht angetroffen werden [Brandt 1967, 135]. Der verwendete Amphibolit ist dabei nach N. Kegler-Graiewski [2007, 123, 126] in Mitteleuropa das für die Dechsel- und Beilherstellung wichtigste metamorphe Gestein, das möglicherweise bereits in Form von Halbfabrikaten aus dem Isergebirge im heutige Tschechien auch in Richtung Westen distribuiert wurde [Heymann et al. 2013, 97].
Während keine der Funde in die darauffolgende Bronzezeit datiert werden konnten, mag eine der Keramikscherben (Abb. 4 10) aufgrund auffälliger Linien zu einem Gefäß gehört haben, das auf einer Drehscheibe hergestellt wurde. Sie wäre somit der Latènezeit zuzuordnen und würde auf dies Weise noch einmal die weitreichenden Kontakte der späteisenzeitlichen Bevölkerung vor Augen führen, mit der auch eine Verbreitung von Technologie – in diesem Falle der Drehscheibe aus dem mediterranen Raum – einherging.
Weitere Funde scheinen eher im Zusammenhang mit der mittelalterlichen Nutzung der Höhe in Verbindung zustehen. Dies trifft – auch aufgrund der Fundstelle im nördlichen Bereich der Anlage, wo sich keine vorgeschichtliche Keramik finden ließ (Fundstelle 2) – auf den Rotlehm (Abb. 4 11) und die einseitig verschlackte Ofenwandung (Abb. 4 12) zu, genau wie auf das Stück Eisenschlacke, das aufgrund seiner geringen Magnetisierbarkeit und des Gewichts von nur 6,4 g offenbar eine hohe Erhitzung erfahren hat, was gegen eine Entstehung in der Vorgeschichte spricht.
Diese neuen Funde von der Alteburg, soweit zeitlich und kulturell einzuordnen, fügen sich lückenlos in den aktuellen Forschungstand ein. Sie festigen somit das bereits gewonnene Bild eines über viele Jahrtausende besiedelten Sporns und führen vor Augen, dass klassische Prospektionen auch nach über 150 Jahren aktiver bodendenkmalpflegerischer Feldforschung noch interessante Artefakte zum Vorschein bringen können.
Abb. 4 Die Funde von der Alteburg (Zeichnungen: Ch. Lotz) |
Fundkatalog
Die Katalognummer ist gleich der Nummerierung auf Abbildung 4. Die Magerungsdichte gibt die Kornanzahl pro Quadratzentimeter an. Die Angabe über die Härte der Keramik bezieht sich darauf, ob sie leicht mit dem Fingernagel zu ritzen ist (weich) oder nicht (hart).
1. Wandscherbe; Wandstärke: 0,8 cm; innen oxidierend, mittig reduzierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,3 cm); Magerungsdichte: 12/cm²; einseitig sekundär gebrannt; Härte: hart; Fundstelle 1.
2. Wandscherbe; Wandstärke: 0,9 cm; innen reduzierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Schamotte (bis 0,3 cm), Quarz (bis 0,1 cm), dunkelgrauer Gesteinssplit (bis 0,4 cm); Magerungsdichte: 5/cm²; Härte: hart; Fundstelle 1.
3. Wandscherbe; Wandstärke: 0,5 cm; innen reduzierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,3 cm); Magerungsdichte: 2/cm²; Härte: hart; Fundstelle 1.
4. Wandscherbe; Wandstärke: 0,6 cm; innen reduzierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,2 cm), dunkelgrauer Gesteinssplit (bis 0,2 cm); Magerungsdichte: 11/cm²; Härte: hart; Fundstelle 1.
5. Wandscherbe; Wandstärke: 0,8 cm; reduzierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,15 cm), heller Gesteinssplit (bis 0,2 cm); Magerungsdichte: 16/cm²; Härte: hart; Fundstelle 6.
6. Wandscherbe; Wandstärke: 0,7 cm; innen oxidierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Kalkstein (bis 0,2 cm), Schamotte (bis 0,2 cm); Magerungsdichte: 5/cm²; Härte: hart; Fundstelle 4.
7. Wandscherbe; Wandstärke: 0,8 cm; innen oxidierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,1 cm), dunkelgrauer Gesteinssplit (bis 0,2 cm); Magerungsdichte: 1/cm²; Härte: weich; Fundstelle 4.
8. Wandscherbe; Wandstärke: 1,2 cm; reduzierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,3 cm), heller Gesteinssplit (bis 0,4 cm); Magerungsdichte: 10/cm²; Härte: hart; Fundstelle 3.
9. Wandscherbe; Wandstärke: 1,0 cm; innen oxidierend, mittig reduzierend, außen oxidierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,25 cm); Magerungsdichte: 6/cm²; Härte: hart; Fundstelle 5.
10. Wandscherbe; Wandstärke: 0,5 cm; reduzierend gebrannt; Magerungsart: Quarz (bis 0,05 cm), Glimmer; Magerungsdichte: 18/cm²; Härte: weich; Drehrillen?; Fundstelle 3.
11. Rotlehm; Maße: 2,1 x 1,0 x 1,5 cm; Magerungsart: Kalkstein (bis 0,2 cm); Härte: weich; Fundstelle 2.
12 Ofenwandung; Maße: 1,5 x 0,9 x 1,2 cm; Härte: hart; einseitig verschlackt; Fundstelle 2.
13. Eisenschlacke; Maße: 2,9 x 1,4 x 1,4 cm; Gewicht:6,4 g; leicht magnetisch; Fundstelle 3.
14. Schlagrest aus grünlich-grauem Kieselschiefer; Maße: 1,4 x 0,9 x 0,8 cm; Fundstelle 3.
15. Abschlag aus weißpatiniertem Feuerstein; Maße: 2,2 x 1,2 x 0,4 cm; keine Retusche vorhanden; Fundstelle 3.
16. Spitznackiges Ovalbeil aus Amphibolit; Maße: 3,8 x 5,6 x 2,35 cm; fragmentiert; Fundstelle 1.
Literatur:
Behrend 1969
Behrend, Rosemarie: Die Bronze- und
Spätlatènezeitliche Besiedlung der Alteburg bei Arnstadt, Alt-Thüringen.
Jahresschrift des Museums für Ur- und Frühgeschichte Thüringens 10, 1969, 97-142.
Brandt 1967
Brandt, Karl Heinz: Studien über steinerne Äxte
und Beile der jüngeren Steinzeit und der Stein-Kupferzeit in
Nordwestdeutschland, Münstersche Beitr. Vorgeschichtsforschung 2 (Hildesheim 1967).
Caemmerer 1924
Caemmerer, Erich: Die Alteburg bei Arnstadt.
Ein Beitrag zur Kenntnis der Vorgeschichte Thüringens (Leipzig 1924).
Heymann et al. 2013
Heymann, Kristin - Stäuble, Harald - Hölzl, Stefan - Ullrich, Bernd - Lange, Jan-Michael: Petrographie und Herkunft des Rohmaterials neolithischer
Steinartefakte der archäologischen Ausgrabung Langensteinbach (LST-06) bei Penig
(Westsachsen), Geologica Saxonia. Journal of Central European Geology 59, 2013,
89-98.
Kegler-Graiewski 2007
Kegler-Graiewski, Nicole: Beile - Äxte - Mahlsteine. Zur Rohmaterialverarbeitung im Jung- und Spätneolithikum Nordhessens (Dissertation an der Universität Köln im Jahr 2007).
Lappe 1988
Lappe, Ulrich: 120 Jahre Forschungen auf der
Alteburg bei Arnstadt, Ausgrabungen und Funde. Archäologische Berichte und
Informationen 33, 1988, 221-226.
May 1988
May, Jens: Neolithische Neufunde von der
Alteburg bei Arnstadt, Ausgrabungen und Funde. Archäologische Berichte und
Informationen 33, 1988, 230-235.
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